Mittwoch, 12. Oktober 2011

Pisco, pengüinos y la pampilla

Pisco, Pinguine und die Pampilla

Für den chilenischen Nationalfeiertag am 18. September sollte in La Serena, eine Stadt sechs Stunden nördlich von Santiago, richtig die Post abgehen. Außerdem war ich von der Mutter von Gerardo, meinem Mitbewohner, für die sogenannten fiestas patrias ("patriotische Feiern") eingeladen worden. Die Familie stammt passenderweise aus dem Nachbarort Coquimbo und so kauften Basti, Patrick, Flo und ich ein paar Tage vorher die Busfahrkarten.

Tag 1 - Samstag, 17. September 2011
Um kurz vor 8 machten wir uns auf den Weg auf der Panamericana - links der Pazifik ...
... und rechts die Wüste.
Unsere Sitzplätze für etwa 10.000 Pesos, oder umgerechnet 15 Euro: obwohl wir die günstigsten verfügbaren Plätze gewählt hatten, waren die Sitze à la Semi-Cama ("Halbbett") alles andere als Holzklasse, wie man hier auf dem Bild von Patrick und Flo sieht!
Nach der Ankunft wollten wir erst einmal die Rückfahrkarte kaufen. Da am Montag praktischerweise ein weiterer Feiertag lag, wollten wir am Dienstag zurück, da am Mittwoch eine Elektrotechnik-Klausur anstand. (Ja, wir studieren auch.) Doch die ersten beiden Busgesellschaften waren schon komplett ausgebucht und so kam uns die Idee, von Dienstag auf Mittwoch durch die Nacht zurückzureisen, wo noch 7 Sitzplätze verfügbar waren. Planmäßige Ankunft um 6 Uhr, Klausur um 8.15 Uhr? Passt!
Anschließend besichtigten wir die Kolonialstadt La Serena und die obligatorische plaza de armas ("Waffenplatz"), die in jeder anständigen chilenischen Stadt zu finden ist und das Stadtzentrum markiert.
Wir schlenderten noch ein wenig durch die Stadt und begutachteten das angebotene Kunsthandwerk, bevor Basti, Patrick und Flo dann in ihr Hostel einkehrten und ich mich mit dem Bus ins 20 Minuten entfernte Coquimbo aufmachte, um dort Gerardos Familie zu treffen. Später wollten wir dann gemeinsam zur pampilla gehen, die den Höhepunkt der fiestas patrias darstellte - ein Markt mit Bars, Essensständen, Kleidung, Konzerten und Fahrgeschäften, ähnlich dem Hamburger Dom.
Die Familie wohnte zwar nur 10 Minuten zu Fuß weg von der pampilla, doch das Grillen zog sich klassisch chilenisch ein Weilchen hin und so dauerte es von 21 Uhr - "jetzt gibt es gleich was zu essen, und dann gehen wir los!" - noch satte vier Stunden, bis wir endlich loskamen!
Auf diesem Bild bin ich mit Gerardo und seinen Eltern Wilson und Gladys zu sehen.

Nach einem Rundgang über die pampilla und einem leckeren terremoto ("Erdbeben", besteht aus billigem Wein mit Kräuterlikör, Ananaseis und Grenadinesirup) wurden dann meine Freunde noch eingeladen, mit zu uns nach Hause zu kommen. Mittlerweile war es schon nach 3 Uhr und wir hatten alle Appetit, sodass der Grill angeschmissen wurde und noch ein paar choripanes - Wortkombination aus chorizo ("Würstchen") und pan ("Brot") - serviert wurden.
Basti, Patrick und Flo bei Gerardo im Garten.

Nach einer Weile forderte Gerardos Vater Wilson uns auf, doch etwas Deutsches zu singen. Welches Lied können denn alle Deutschen singen? Ich erinnerte mich an die Interkulturelle Sommerakademie von AFS in Karlsruhe, bei der wir genau darüber gesprochen hatten und der Professor uns den Tipp gegeben hatte, in einer solchen Situation "3 Chinesen mit dem Kontrabass" anzustimmen. Klingt zwar dämlich, aber es zu versuchen war besser als gar nicht zu singen.
Und tatsächlich! Unsere Sangeskünste überzeugten ihn und so dauerte es noch bis 5 Uhr, bis meine Freunde sich auf den Weg nach La Serena machten und ich übermüdet aufs Sofa fiel.

Tag 2 - Sonntag, 18. September 2011

Den Nationalfeiertag verschliefen wir alle mindestens zur Hälfte. Während die anderen zu einem Rodeo fuhren, entschied ich mich dazu, Coquimbo zu erkunden.
Von einem Hügel mit einem riesigen Kreuz hatte man einen tollen Ausblick über die Stadt und die Bucht, die ein Kapitän wohl einmal zu spät bemerkt hatte.
Mit chilenischen Fahnen geschmückte Häuser säumten die steilen Straßen am Hang. Ich fühlte mich an Kolumbien zurückerinnert, wo ich mich nie getraut hätte, allein und unbewaffnet mit meiner Kamera den Berg hinaufzusteigen! Dies ist jedoch in Chile problemlos möglich und ich fühlte mich bisher eigentlich nie unsicher.
Auf einem kleineren Hügel steht eine Moschee, die vom marokkanischen König gestiftet wurde und einen Gegensatz zum eigentlich alles überstrahlenden Kreuz bietet. Der Anblick überrascht doch sehr.
Anschließend fuhr ich noch ein wenig mit Gerardo durch Coquimbo und er zeigte mir die Strandpromenade, die im Sommer (Dezember bis Februar) gut bevölkert ist, und den Hafen.
Abends traf ich mich dann mit Basti, Flo und Patrick wieder auf der pampilla, wo wir bei einem Konzert den Nationalfeiertag entspannt ausklingen ließen. Schließlich wollten wir am nächsten Tag früh los.
Tag 3 - Montag, 19. September 2011

Etwa 100 Kilometer nördlich von La Serena liegt die Reserva Nacional Pingüino de Humboldt ("Nationalreservat Humboldtpinguin"). Keiner von uns hatte bis dato Pinguine in freier Wildbahn gesehen und so nahmen wir an der Tour für 35.000 Pesos (etwas mehr als 50 Euro) teil, die im Hostel angeboten wurde.
In den vergangenen Wochen hatte es viel geregnet und so war die Wüste zwischen der Stadt und dem Reservat ungewöhnlich grün.
Zwischen Kakteen und Gestrüpp sah man dann und wann ein Guanako-Lama.
Nach einer Stunde auf der gut ausgebauten und asphaltierten Panamericana und einer weiteren Stunde Schotterpiste kamen wir dann an der Mole an, wo das Boot wartete, das mich, Patrick, Basti und Flo zu den Pinguinen bringen sollte.
Nach kurzer Fahrt sahen wir Pelikane auf den Steinen der geschützten und daher unbewohnten Insel sitzen.
Die Insel war jedoch nicht immer schon unbewohnt: bis in die neunziger Jahre hinein wohnten dort Leute und es gab sogar ein Fußballfeld. Doch zum Schutz der folgenden gefiederten Freunde wurde die Insel glücklicherweise unter Naturschutz gestellt.
Süß, oder?
Im eiskalten Wasser tummelten sich Delfine, die vergnügt um unser Boot herumsprangen - und dann und wann auch einmal vor meine Kamera.
Wer hätte gedacht, dass man in Chile aus nächster Nähe Pinguine und Delfine sehen kann? Doch noch hatten wir nicht alles gesehen - auf den Felsen entspannten sich Seelöwen ...
... und Kormorane.
Dieser Vogel wird zum Fischfang benutzt, indem ihm ein Band um den Hals gebunden wird und daran ein Seil befestigt wird. Nun lässt man den Kormoran nach Fischen tauchen. Einmal gefangen, kann der Kormoran den Fisch jedoch wegen des Bandes nicht herunter schlucken, sodass er auftaucht. Dort nimmt der Fischer den Fisch aus dem Schnabel des Vogels und gibt ihm im Gegenzug ein Leckerli, bevor der Vogel wieder zum Tauchen geschickt wird. Doch nicht nur deshalb sind Kormorane hoch geschätzt in Chile, sondern auch wegen ihren Ausscheidungen, des sogenannten guano.
Deshalb kam es sogar einmal zu einem Krieg. Das guano enthält nämlich viel Salpeter und war bis zur Erfindung des Kunstdüngers der einzig verfügbare Dünger. Im Salpeterkrieg von Achtzehnhundertschießmichtot eroberte Chile im Norden große Teile Perus und Boliviens.
Seitdem ist Bolivien ohne Meerzugang, was natürlich eine große Exportbarriere darstellt und eine Ursache für die Armut des Landes darstellt. Mittlerweile ist Kunstdünger natürlich sehr viel günstiger und einfacher zugänglich, doch nichtsdestotrotz ist es in Chile immer noch verboten, das guano auch nur anzufassen!
Ein Seestern.
Im Anschluss an die faszinierende Tierwelt besuchten wir die Isla Damas, die "Insel der Damen".

Da dort keine geschützten Tierarten leben, ist es den Touristen erlaubt, die Insel zu betreten.
Dort hatten wir eine Dreiviertelstunde Zeit zur Erkundung.
Sogar die Kakteen blühten!
Ein letzter Blick auf die Bucht, bevor wir uns wieder auf den Rückweg machten. Im Reisepreis enthalten war ein vorzügliches Mittagessen mit Fisch, Reis, Salat und einem Eis als Nachtisch. Das war auch gut, denn als wir wieder in La Serena ankamen, ging es auch sofort weiter. Wir rannten zum Busterminal der Stadt, da wir noch am gleichen Abend weiter nach Vicuña wollten.
Dort befindet sich das Observatorio Mamalluca, ein Sternenobservatorium, bei dem wir eine Führung für 20.30 Uhr gebucht hatten. Die Stadt Vicuña, eine Stunde östlich von La Serena gelegen, ist nämlich für ihre klaren Nächte bekannt, die nur an 30 Tagen im Jahr bewölkt sind. Quasi die Ergänzung zu Bremen, wo die Nächte mit Glück 30-mal jährlich wolkenfrei sind! Vor der Führung bauten wir jedoch noch unsere Zelte im Garten eines Hostels auf.
Zwischendrin gabelten wir Bastis chilenischen Mitbewohner Sergio auf, der zufällig in der Gegend war und hier neben Flo, mir, Patrick und Basti zu sehen ist. Im Hintergrund steht übrigens ein Teleskop des Observatoriums, das nur für Touristen erbaut wurde. Uns wurde der Sternenhimmel erklärt, verschiedene Sternzeichen wie der Skorpion - der Don unter den Sternzeichen - gezeigt und wir lernten, wie man mit dem Kreuz des Südens die Richtung bestimmen kann, in der Süden liegt.
Anschließend fuhren wir zum Hostel. Ich war der einzige ohne Schlafsack und man kann es kaum glauben, wie kalt die Nächte in der Wüste werden können. 5 Schichten Kleidung - und trotzdem wachte ich um 7 Uhr steif gefroren auf.

Tag 4 - Dienstag, 20. September 2011

Doch schnell ging die Sonne auf und erwärmte das Tal. Nach einem leckeren Frühstück fuhren wir mit dem Bus in das Dorf Pisco Elqui, in dem - wie der Name schon sagt - Pisco hergestellt wird, der chilenische Schnaps aus Weintrauben.
Sergio handelte einen guten Preis mit dem Busfahrer aus und wir fuhren für eine Stunde durch schöne Täler, bis wir an unserem Ziel ankamen.
Dort wollten wir eine Piscodestillerie besichtigen. Die im Dorf gelegene Destillerie von Mistral verlangte jedoch 6000 Pesos (9 Euro) für den einstündigen Rundgang. Das war uns zu viel und so schauten wir uns zunächst den Marktplatz an, bis wir uns einig waren, was wir machen sollten.
Schließlich hörten wir von einer weiteren Destillerie, eine Dreiviertelstunde Fußmarsch vom Dorf entfernt. Das erschien uns die bessere Zeitnutzung und so stapften wir eine Landstraße entlang, auf der Suche nach der Destillerie und vielleicht einem kühlen Fluss zum Baden.
Grundstück zu verkaufen! Aus Deutschland müsst ihr bei Interesse noch 00569 vorwählen.

Da Flo und Sergio per Anhalter mitgenommen wurden - für uns war kein Platz mehr - trennten sich unsere Wege.
Patrick, ich und Basti fanden tatsächlich ein Bächlein, in dem wir unsere Füße abkühlen konnten, aber zum Baden war der Bach erstens zu klein und zweitens war es wirklich affenkalt, trotz der 30 Grad Außentemperatur - Schneeschmelzwasser halt.
Doch am Ende fanden wir uns wieder, kauften ein paar Flaschen Pisco als Andenken und reisten abends entspannt wieder nach Santiago, um nach einer kurzen Nacht im Bus am nächsten Tag ein bisschen müde, aber bestens vorbereitet die Klausur zu schreiben.

Bis zum nächsten Reisebericht, euer Lars

3 Kommentare:

  1. Hey Lars!

    Klingt alles spannend, aber ich hab mal eine Frage zum Blog davor: Warum machen die Professoren für euch extra Unterricht? Das würde hier doch kaum einem einfallen, oder?

    Viele Grüße, Svenja.

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  2. cool ;-)
    und ich sitz hier in ner langweiligen Vorlesung ... :'-)

    Have fun!

    Alex

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  3. Jana Philippa Ditz21. Oktober 2011 um 02:48

    Schön mal wieder etwas von dir zu hören! Und du studierst! ;) Erzähl doch mal bitte von deinen Studienerfahrungen - schreibt ihr nur Klausuren oder sind auch die Hörsäle schon wieder geöffnet?

    Besos von Jana aus dem bereits gefrorenen Bayreuth
    brrrrrr... :)

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